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Baumkronen in Uganda © PRIMAKLIMA

Mit Regenwald das Klima retten?

Interview mit PRIMAKLIMA über ihr Waldprojekt in Uganda

26.02.2025

PRIMAKLIMA konzentriert sich in seiner Arbeit auf die Mehrung und den Schutz von Wäldern. Weshalb sind Wälder für Klimaschutz und Biodiversität so wichtig und inwiefern hat PRIMAKLIMA hier Pionierarbeit geleistet?

Lars Forjahn: Wälder sind essenziell für den Klimaschutz, da sie ein Fünftel der weltweit entstehenden CO₂e-Emissionen aus der Atmosphäre binden und langfristig in Biomasse – in den Bäumen selbst, aber auch in den Böden – speichern. Sie tragen somit maßgeblich zur Minderung des Klimawandels bei. Gleichzeitig sind sie Lebensräume für unzählige Tier- und Pflanzenarten und schützen damit die Biodiversität. PRIMAKLIMA hat früh erkannt, dass Klimaschutz und Biodiversität untrennbar zusammenhängen – gesunde Wälder sind nicht nur Kohlenstoffspeicher, sondern auch Rückzugsorte für viele Tierarten. Etwa 80 Prozent der Landlebewesen nutzen Wald als Ihren Lebensraum. Seit über 30 Jahren engagieren wir uns für den Schutz und die Wiederherstellung von Wäldern weltweit und konnten bereits über 16 Millionen Bäume pflanzen.

Welche Bedeutung haben natürliche Klimaschutzlösungen, sogenannte Natural Climate Solutions, im Vergleich zu technischen Maßnahmen zur Bindung von Treibhausgasen?

Lars Forjahn: Natürliche Klimaschutzlösungen – in unserem Fall der Schutz und die Wiederherstellung von Wäldern – bieten ein breites Spektrum an Vorteilen. Im Vergleich zu rein technischen Maßnahmen zur Bindung von Treibhausgasen erhalten Wälder darüber hinaus wertvolle Lebensräume. Wälder leisten einen entscheidenden Beitrag zum Erosionsschutz, zur Verbesserung der Wasser- und Luftqualität und unsere Waldprojekte schaffen nachhaltige Einkommensmöglichkeiten für die lokale Bevölkerung in Regionen, in denen die Auswirkungen des Klimawandels am stärksten zu spüren sind.
Bereits jetzt nehmen durch den Klimawandel Extremwetter überall auf der Welt zu. Auch die sinkende Artenvielfalt bedeutet Stress für das Ökosystem Wald. In Uganda gibt es typischerweise zwei Trockenzeiten: von Dezember bis Februar und von Juni bis August. In dieser Zeit ist die Waldbrandgefahr besonders hoch. Wie müssen Wälder beschaffen sein, um auch bei Trockenheit und anderen Wetterextremen anpassungsfähig zu bleiben?

Justus Koßmann: Widerstandsfähige Wälder entstehen durch die gezielte Auswahl an heimischen Baumarten, die an Trockenheit angepasst sind. Wie immer ist Vielfalt ein entscheidender Faktor, denn unterschiedliche Arten haben unterschiedliche Mechanismen, mit denen sie auf Herausforderungen reagieren. Sobald die Bäume größer geworden sind und das Kronendach geschlossen ist, schützen die Beschattung und die höhere Luftfeuchtigkeit des Mikroklimas im Wald vor Bränden. Je älter und strukturreicher der Wald also ist, desto besser. Der Großteil der aktiven Schutzmaßnahmen findet daher in den ersten 10 Jahren statt. In unseren Projekten werden das Saatgut und die Setzlinge in lokalen Baumschulen hergestellt, um eine möglichst hohe Anpassungsfähigkeit an den Standort sicherzustellen. Zudem arbeiten erfahrene Teams vor Ort daran, dass die Setzlinge unter optimalen Bedingungen gepflanzt werden. Ein durchdachtes Pflanzdesign, Managementmaßnahmen wie Feuerschneisen und Feuerpatrouillen sowie Schulungen der lokalen Bevölkerung tragen zusätzlich dazu bei, Wälder langfristig zu schützen.

Sie unterstützen derzeit auf vier Kontinenten Klimaschutzprojekte. Wie entstand Ihr Projekt in Uganda und welche Kriterien waren ausschlaggebend dafür?

Justus Koßmann: Das Projekt wurde gemeinsam von Face the Future und der Ugandischen Nationalparkbehörde entwickelt und startete 1994 mit dem Ziel, degradierte Waldflächen im Kibale-Nationalpark aufzuforsten und die natürliche Regeneration zu fördern. Der Nationalpark ist ein Hotspot der Biodiversität und Heimat einer der weltweit größten Schimpansen-Populationen sowie 13 weiterer Primatenarten.
Die Wiederbewaldung leistet einen wichtigen Beitrag zur Kohlenstoffbindung. Sie wurde nötig, da in den 1970er Jahren großflächige Entwaldung stattfand und die natürliche Regeneration durch Brände und den Überwuchs von schnellwachsenden Gräsern behindert wurde. Der gesetzliche Schutz als Nationalpark sichert die langfristige Erhaltung des wiederhergestellten Waldes.
Neben dem ökologischen Nutzen schafft das Projekt Arbeitsplätze in der Aufforstung und fördert die nachhaltige Landnutzung und verbessert so die Einkommensmöglichkeiten der lokalen Bevölkerung. Bildungs- und Schulungsprogramme vermitteln Wissen über Forstwirtschaft und Umweltschutz. Zudem werden Maßnahmen zur Vermeidung von Mensch-Wildtier-Konflikten umgesetzt, etwa der Bau von Elefantengräben, um landwirtschaftliche Flächen der Gemeinden zu schützen.

Schimpanse im Schutz des Dickichts © PRIMAKLIMA

Was genau geschieht dann vor Ort?

Justus Koßmann: Im Kibale-Nationalpark werden degradierte Waldflächen durch die Pflanzung von über 2,5 Millionen Bäumen auf 4.559 Hektar wiederhergestellt. Schutzmaßnahmen gegen Feuer und zum Erhalt der Biodiversität unterstützen zusätzlich die natürliche Regeneration des Waldes, wodurch nochmals 2.593 Hektar wiederhergestellt werden. Um die langfristigen Klimaschutzwirkungen zu messen, wird alle drei Jahre ein Kohlenstoff-Monitoring durchgeführt. Zum Schutz der umliegenden Gemeinden vor Wildtieren wurden Elefantengräben, Barrieren und Bienenkästen angelegt. Gleichzeitig werden nachhaltige Agroforstsysteme gefördert, die sowohl die landwirtschaftliche Produktivität steigern als auch wichtige Lebensräume für Wildtiere erhalten. Das Projekt unterstützt die lokale Bevölkerung durch Bildungs- und Schulungsprogramme zu nachhaltiger Landnutzung und Waldmanagement. Zudem erhalten Kleinbauern und Kleinbäuerinnen klimaresistente Setzlinge und technische Beratung für die Pflanzung und Pflege. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Schutz der Biodiversität. Durch gezielte Verwendung heimischer Baumarten wird das ursprüngliche Ökosystem wiederhergestellt. Zusätzlich werden Forschungsprojekte zur Beobachtung der Schimpansen-Population unterstützt.

Um die Wirksamkeit zu überprüfen, durchlief das Projekt verschiedene Verfahren und ist nun sogar zweifach zertifiziert: nach dem sog. Verified Carbon Standard (VCS) und nach dem Climate, Community and Biodiversity Standard (CCBS). Können Sie uns erklären, was es mit den beiden Standards auf sich hat und wie sie sich ergänzen?

Lars Forjahn: Der Verified Carbon Standard (VCS) ist ein Standard zur Verifizierung von Klimaschutzprojekten. Er stellt sicher, dass die durch das Projekt eingesparten oder gebundenen CO₂-Emissionen zuverlässig gemessen und dauerhaft gespeichert werden. Die Einhaltung strenger wissenschaftlicher Methoden und regelmäßige unabhängige Prüfungen garantieren, dass die CO₂-Bindung tatsächlich erfolgt. Der Climate, Community & Biodiversity Standard (CCBS) geht über die reine Kohlenstoffbindung hinaus und bewertet zusätzlich die ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Projekts. Er stellt sicher, dass neben dem Klimaschutz auch der Schutz der Biodiversität gefördert und die lokale Bevölkerung einbezogen wird. Durch die Kombination beider Standards wird bestätigt, dass unser Projekt nicht nur messbare und transparente CO₂-Einsparungen erzielt, sondern auch langfristig positive Effekte für Mensch und Natur hat. Zusätzlich überprüft ein externer Auditor, zuletzt vom TÜV Nord, vor Ort die Angaben der Verifizierungsdokumente und stellt so die Qualität und Glaubwürdigkeit der Ergebnisse sicher.

Das klingt nach einem aufwändigen Verfahren. Wie viele CO₂-Emissionen wurden auf diese Weise bisher gebunden?

Justus Koßmann: Seit Projektbeginn 1.536.461 Tonnen CO₂e.

Schützenswerter Baumriese © PRIMAKLIMA

Der freiwillige Kompensationsmarkt steht in den Medien immer wieder in der Kritik. Wie gehen Sie bei PRIMAKLIMA vor, um ernstzunehmenden Klima- und Umweltschutz erkennen zu können?

Lars Forjahn: Ein wichtiger Aspekt ist die Zertifizierung: Seriöse Klimaschutzprojekte werden durch unabhängige Standards wie den Verified Carbon Standard (VCS) oder Goldstandard geprüft. Diese stellen sicher, dass CO₂e-Einsparungen nachweisbar sind und sowohl soziale als auch ökologische Aspekte berücksichtigt werden. Zusätzlich überprüft ein externer Auditor vor Ort die Angaben der Verifizierungsdokumente und stellt so die Qualität und Glaubwürdigkeit der Ergebnisse sicher. Da es schwer ist, das komplexe Themenfeld des freiwilligen Kompensationsmarktes nachzuvollziehen, haben wir bei PRIMAKLIMA ein 6-köpfiges Team, um Klimaschutzprojekte ganzheitlich zu prüfen. 

Justus Koßmann: Die zuvor genannten Standards sind ein wichtiges Kriterium bei der Projektauswahl und sie helfen uns dabei, einen ersten Überblick über die Glaubwürdigkeit von Projekten zu erhalten. Über die Standards hinaus legen wir bei PRIMAKLIMA jedoch weitere Kriterien fest. Wir besuchen alle unsere Projekte regelmäßig und stehen in engem Kontakt zu den Organisationen und Menschen vor Ort, die in das Projekt involviert sind, um uns ein eigenes Bild zu machen. Mit unserem forstwissenschaftlichen Expert:innen-Team prüfen wir das Projekt anhand unserer eigenen Kriterien und treffen daraufhin unsere Entscheidung, ob wir ein Projekt mit unseren Spendengeldern unterstützen wollen oder nicht. Wie wir als PRIMAKLIMA auf die Qualität unserer Projekte achten, können Sie tiefer in unserem Blogbeitrag vom 12.12.2023 nachlesen.

Waldschützer:innen aus Uganda mit dem Team von PRIMAKLIMA © PRIMAKLIMA

Ihnen ist die Einbindung der Bevölkerung vor Ort besonders wichtig. Wie konkret sieht diese aus und stoßen Sie dabei auch auf Herausforderungen?

Lars Forjahn: Die Einbindung der lokalen Bevölkerung ist ein zentraler Bestandteil unseres Projekts. Durch ihre aktive Beteiligung an der Aufforstung – von der Pflanzung über die Pflege bis hin zum Schutz der Bäume – entstehen langfristige Beschäftigungsmöglichkeiten und nachhaltige Einkommensquellen. Es gibt darüber hinaus gezielte Maßnahmen, die den Aufbau alternativer, projektunabhängiger Einkommensmöglichkeiten fördern.

Justus Koßmann: Eine große Herausforderung ist der Mensch-Tier-Konflikt. In Zusammenarbeit mit den Gemeinden wurden etwa Elefantengräben angelegt, um Ernteverluste zu vermeiden. Um das Bewusstsein für nachhaltige Landnutzung weiter zu stärken, werden Workshops und Schulungen zu Themen wie nachhaltige Forstwirtschaft, Wildtierschutz und ökologisch informierte Landwirtschaft angeboten. Unser Partner, die ugandische Nationalparkbehörde, pflegt den Kontakt zu den Gemeinden, indem dauerhaft Mitarbeitende in den Gemeinden unterwegs sind. An sie können Fragen, Wünsche oder auch Schwierigkeiten adressiert und an das Projekt weitervermittelt werden. Ein weiteres zentrales Element ist die Etablierung eines Gemeindegremiums, welches über die Verwendung der durch das Projekt generierten Einnahmen für die Gemeinden entscheidet. So wird sichergestellt, dass die Bevölkerung sinnvoll, effizient und auch langfristig von den Maßnahmen profitiert.
Das Gremium wird von den Gemeindevorsteher:innen der Dörfer, lokalen Fachleuten mit technischen Kenntnissen über lokale Geschäftsentwicklung und Vertreter:innen von Naturschutzinitiativen gebildet. Die Zusammensetzung der Gremien ist geschlechtersensibel, damit sichergestellt ist, dass Frauen immer einen Sitz in der Managementstruktur haben. Einer der Vorteile dieser Bottom-up Verwaltungsstruktur ist, dass die Gemeindemitglieder sich mit ihren eigenen Vorschlägen bewerben können und so direkt an der Ausrichtung der einkommensschaffenden Aktivitäten beteiligt sind.
Die lokal ansässigen Landwirt:innen erhalten unter anderem auch Schulungen zu Agroforstwirtschaft.

Können Sie uns kurz erklären, was Agroforstwirtschaft ist und welche Potentiale sie bietet?

Justus Koßmann: Agroforstwirtschaft bezeichnet eine Art der Landwirtschaft, bei der Ackerbau, Tierhaltung und Forstwirtschaft kombiniert werden. Sie ist damit ein Gegenentwurf zum Anbau von Monokulturen. Verschiedene Pflanzen werden dabei so kombiniert, dass sie sich wechselseitig im Wachstum unterstützen. Insbesondere Bäume stabilisieren in Agroforstsystemen den lokalen Wasserhaushalt und schützen den Boden vor Wind und Sonne. Selbst Gebiete, die einst Wüste wurden, können so wieder aufblühen. Der Agroforstexperte Ernst Götsch spricht daher davon, dass man „Regen pflanzen“ kann.

Und wie wird das Wissen um die Potentiale der Agroforstwirtschaft vor Ort vermittelt?

Justus Koßmann: Durch gezielte Schulungen und Informationskampagnen, etwa über Radiosendungen und Gemeindetreffen, werden die Landwirt:innen für die Vorteile der Agroforstwirtschaft sensibilisiert. Agroforstwirtschaft ermöglicht ihnen nicht nur höhere und vielfältigere Einkommen bei geringeren Betriebskosten, sondern verbessert auch ihre Selbstversorgung mit Holz und Brennmaterial. Gleichzeitig stärkt sie die Widerstandsfähigkeit der Landwirt:innen gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels. Die Landwirt:innen profitieren von besseren Preisen durch den Aufbau lokaler Wertschöpfungsketten. In den Schulungen wird praxisnahes Wissen zu Agroforst-Design, Bodenmanagement, Erosionsschutz und nachhaltigen Anbaumethoden vermittelt.

Auch die vor Ort lebenden Wildtiere können eine Herausforderung für den Waldschutz sein. Was hat es mit den Bienenstöcken zum Schutz der Agroforstanlage auf sich?

Justus Koßmann: Bienenstöcke werden entlang der Waldgrenzen aufgestellt und durch Drähte verbunden. Wenn Elefanten die Drähte berühren, werden die Bienen aufgescheucht – sie attackieren die empfindlichen Rüssel der Elefanten, woraufhin diese die Flucht ergreifen und die Stellen zukünftig meiden. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Honigproduktion.

Bienenstöcke als Schutz vor Elefanten © PRIMAKLIMA

Und zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft: Wie soll sich das Projekt in den nächsten zehn Jahren weiterentwickeln?

Lars Forjahn: Als Projekteigentümer möchten wir dem Projekt zusätzliche finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen, mit denen vielfältige Maßnahmen realisiert werden.
Ein besonderer Fokus liegt auf dem Agroforst: Noch mehr Menschen sollen in diesem Bereich geschult werden, um nachhaltige Landnutzung weiter voranzutreiben.
Gleichzeitig bleibt der Schutz der Gemeinden vor Wildtieren eine zentrale Herausforderung. Mit den erhöhten Mitteln können aufwändigere Schutzmaßnahmen wie Holzstege zur Elefantenabwehr realisiert werden.
Auch wissenschaftlich soll das Projekt weiterentwickelt werden. Geplant ist, neue Methoden zur Messung der Biodiversität einzusetzen und die Zusammenarbeit mit Universitäten auszubauen.
Nicht zuletzt sind wir in der Planung einer ganz neuen Fläche von etwa 800 ha Größe, die wir wiederherstellen möchten. Angesichts der Kritik, die vielen Waldprojekten entgegengebracht wird, möchten wir mit dem Kibale-Projekt zeigen, dass es auch erfolgreiche und wirkungsvolle Kohlenstoffprojekte gibt. Unser Ziel ist es, mehr Aufmerksamkeit auf dieses Vorzeigeprojekt zu lenken. Das Konzept funktioniert hervorragend, das Team vor Ort ist eingespielt und wir sind von der Wirkung überzeugt. Sie werden in Zukunft noch viel von dem Projekt hören.

Herzlichen Dank für die Einblicke in Ihre Arbeit und für Ihr Engagement!

Lars Forjahn von PRIMAKLIMA im wiederaufgeforsteten Gebiet © PRIMAKLIMA